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Main-Post Würzburg

MAIN-POST Würzburg 25.3.04

Die Weltreise als Liebebeweis:

Mediator Hartmut Schäffer vermittelt zwischen Konfliktparteien

Michaela Moldenhauer, Redaktionsmitglied der Main-Post

 

Ein Ehepaar erbt unverhofft 10 000 Euro. Sie möchte von dem Geld eine Weltreise machen. Er will den Betrag auf die hohe Kante legen. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Das Paar wendet sich mit seinem Problem an Hartmut Schäffer. Der Mediator soll es richten.

Ein Mediator ist kein Richter. Er ist auch keine höhere Instanz. Er ist ein Vermittler. Mediation ist die Möglichkeit, außergerichtlich mit den Beteiligten eine Lösung zu erarbeiten, mit der alle Seiten gut leben können (siehe nebenstehendes Stichwort). "Mediation ist Konfliktmoderation", erklärt Hartmut Schäffer. Der Mitfünfziger betreibt in Retzbach seit zwei Jahren ein Mediationsstudio, in dem er auch Ausbildungsseminare veranstaltet.

"Ein Mediator macht keine Lösungsvorschläge", erklärt Schäffer als oberstes Gebot. Die Parteien sollen den Konsens selbst erarbeiten. Das erhöht die Akzeptanz der Lösung, stärkt die Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten und dient als Rüstzeug für die Bewältigung möglicher späterer Auseinandersetzungen.

Der "Trick" einer erfolgreichen Mediation besteht darin, nicht die unterschiedlichen Positionen als Ausgangspunkt zu nehmen. "Das sind praktisch immer unüberbrückbare Gegensätze", sagt der Mediator, so wie Weltreise und Sparbuch. Es gelte vielmehr, die Bedürfnisse, die hinter den Standpunkten stehen, hervorzuholen und ans Licht zu bringen.

Im Fall des streitenden Paares hat die Ehefrau über viele Jahre ihre Schwiegermutter bis zu deren Tod gepflegt. Eine Weltreise von den 10 000 Euro aus dem Nachlass betrachtete sie als gerechten Ausgleich für die jahrelange Aufopferung. Der Ehemann dagegen argumentierte mit der Ausbildung der beiden Kinder, die finanziert werden müsse, und mit seinem Arbeitsplatz, der nicht für alle Zeiten sicher sei. Deshalb sollte das Geld gespart werden.

"Das waren die Positionen", stellt Hartmut Schäffer dar. Aber der Frau ging es gar nicht um die Reise, und der Mann hat die Kinder nur vorgeschoben. Sie hatte Angst um ihre Ehe. In dem Stress durch die Pflege glaubte sich die Frau ihrem Partner entfremdet. Sie sah sein Einverständnis zu der Reise als Test, als Liebesbeweis. "Der Mann ist aus allen Wolken gefallen", erinnert sich Schäffer.

Es gab auch auf der anderen Seite eine Überraschung. Der Ehemann wusste nämlich bereits, dass sein Job konkret gefährdet war, was er seiner Frau bis dato nicht erzählt hatte. Das Geld bedeutete für ihn die Chance, seinen Traum zu verwirklichen und sich selbstständig zu machen. Das Ende vom Lied waren ein kleinerer Urlaub und die Eröffnung eines Catering-Services.

"Wenn die Bedürfnisse herausgearbeitet sind, kann man neu ansetzen", erklärt der Mediator das Prozedere. Im Gegensatz zu anderen Methoden der Konfliktbewältigung braucht Mediation aber einen benennbaren Streitpunkt. "Ohne Zankapfel keine Mediation." Gefühle dürfen ruhig mit im Spiel sein. Sie werden nicht negiert, aber benannt und kanalisiert.

Schäffer kann auf eine Erfolgsquote von 80 bis 90 Prozent blicken, obwohl viele Menschen sich erst an ihn wenden, wenn sie mit dem Druck gar nicht mehr zurechtkommen, wenn sie kurz vor dem Gang zum Gericht stehen, wenn es fast schon zu spät ist. "Aber alle Seiten müssen dazu bereit sein. Man kann niemanden zu einer Mediation verdonnern."

Deshalb halte er vorab schriftlich auf einer Tafel "Vereinbarungen" wie "Freiwilligkeit" "Zuhören" oder "Ausreden lassen" fest, auf die er im Laufe der Mediation die vormaligen Streithähne hinweisen kann. Die Dauer einer Mediation ist offen.

"Der Bedarf ist auf mich zugekommen", erklärt Hartmut Schäffer, warum er sich der Mediation zugewandt hat. Im Jahr 1998 hat er als Leiter der Bildungsstätte "Kirchröder Turm" in Hannover Bekanntschaft mit dieser Methode gemacht und die Ausbildung zum Mediator absolviert. Im Jahr 2002 habe er die Leitung abgegeben und sich in Retzbach selbstständig gemacht, wobei er als Mediator im ganzen Bundesgebiet unterwegs ist. Als Schwerpunkt hat er Gruppenmediation gewählt. 50 Prozent seiner Arbeitskraft widmet er nach wie vor der Bildungsstätte.

Einen Ausgleich für sich findet Schäffer, der sich am Konservatorium in München zum Konzertsänger ausbilden ließ, in der Musik. Vier bis fünf Konzerte, unter anderem auch in Retzbach, gibt er pro Jahr. An der Uni München und in San Jose absolvierte er auch ein Germanistik- und Anglistikstudium.

Der Pädagoge Hartmut Schäffer bietet auch berufsbegleitende Ausbildungen unterschiedlicher Länge an und gibt Kurse an der Volkshochschule in Karlstadt.